Als er schneller ging und ich kaum mithalten konnte, packte ich seine Hand und brachte ihn zum stehen. "Es tut mir Leid okay!", rief ich. Ich fuehlte mich mega schlecht. Wegen einfach verdammt allen. "Ich weiß dass das total naiv von mir gewesen war! Aber was wuerdest du machen, wenn ich ein Viral waer? Mir 'ne Kugel in den Kopf schießen?", ich schrie fast, konnte ihn nicht mal erkennen, weil ich einfach nicht aufhoeren konnte zu weinen. "Xavier ist mein bester Freund und mir verdammt wichtig! Und ich...", ich keuchte, musste meine Gedanken ordnen. Denn manchmal hatte ich wirklich das Gefuehl, dass ich mich zwischen den Beiden entscheiden musste. "Ich wollte nur schauen, ob es funktioniert. Und wie du siehst bin ich noch da. Als Mensch. Und ich bin bei dir, also hoer bitte, bitte auf mich so zu behandeln. Ich halt das nicht aus.", schluchzte ich. Ja, ich war wohl so was wie ein Schwaechling. Meine Gefuehle waren ein reinstes Chaos und mein Fieber und Kreislauf machten es mir nicht gerade einfach. Und doch musste ich daran denken, dass Alex der Einzige war, denn ich noch problemlos bei mir hatte.

Erst blieb ich erschrocken stehen und sah sie geschockt an. Dann umarmte ich sie einfach und drückte sie. Mir war das Schicksalszeug jetzt egal, verdammt. Ich wollte noch etwas sagen, irgendwas zu dem, was sie mich gefragt hatte. Aber ich hatte darauf keine Antwort. Natürlich konnte ich sie nicht erschießen, nichtmal wenn sie ein Viral wäre. Ich hatte Xavier ja nie gekannt, das hieß dass ich ihn behandeln konnte wie die Viral, die anfangs gegen Ava gekämpft hatte. Er war ihr bester Freund. Ich wollte nicht auch noch für ihn irgendwelche Gefühle hegen aber wenigstens Verständnis für Ava. Was Tian jetzt dachte war mir auch erstmal egal.

Na endlich. Erleichtert lehnte ich mich an ihn, legte meine Arme um ihn und schloss die Augen. Diese Umarmung reichte aus, um mich etwas zu beruhigen. Und noch dazu war ich gluecklich, dass er mich jetzt nicht alleine laesst, oder aehnliches. Noch immer weinte ich, aber ich hoerte auf zu zittern und mein Kreislauf schien sich auch wieder etwas zu stabilisieren. "Es tut mir Leid.", fluesterte ich erneut und konnte seinen Herzschlag hoeren, der mich entspannte und beruhigte. Denn es erinnerte mich an frueher, als ich noch ein Kind war. Immer wenn man mich beruhigen wollte, hatte man mich auf die Brust einer mir naheliegenden Person gelegt und ich hatte mich augenblicklich beruhigt.

Ich atmete möglichst ruhig. Im Moment wirkte ihre Nähe nicht mehr verwirrend sondern angenehm. Irgendwann ließ ich sie vorsichtig wieder los und sah sie sanft an. "Wir müssen zurück zur Kolonie. Da kann ich was zu Essen eintauschen", meinte ich und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht. Ich sah kurz zu Tian. Dann wieder zu Ava. Schon komisch, wie schnell ich bei ihr weich wurde. Ich tastete nebenbei nach der Kette und den Münzen in meiner Tasche und gab Tian ein paar Münzen. "Mit denen müsstest du dir was zu Essen kaufen können" Ich lächelte ihn kurz an und sah dann wieder zur Kolonie. Sie war nicht mehr weit weg.

Ich hielt mich immernoch an Alex fest und sah ihm ins Gesicht. "N-n-nimmst du mich hoch?", fragte ich zögerlich und ziemlich leise. "Bitte?", sah ich ihn flehend an, dann legte ich meine Arme um seinen Hals, hoffte darauf, dass er meiner Bitte nachging. Denn wirklich lange hielt ich es nicht mehr auf den Beinen aus. Meine Augen schlossen sich fast automatisch und ich schluckte den Würgereiz so gut es ging runter. Ich brauchte eine Pause. Vielleicht ein wenig Schlaf, wäre auch nicht schlecht.

Ich sah sie kurz zögernd an, nickte dann aber. "Okay" Ich legte den einen Arm unter ihre Beine und den anderen unter ihren Rücken und hob sie so hoch um sie so zu tragen. Mal sehen, bis zur Kolonie müsste ich es schaffen. So konnte sie sich wenigstens etwas ausruhen. Ich lief gleich los und hoffte einfach dass Tian hinterher kam.

Ich verkniff mir ein Grinsen, lächelte stattdessen nur und lehnte mich an ihn. Ich sog unbewusst den Geruch von Alex auf, schloss die Augen und seufzte zufrieden und leise. "Verzeihst du mir?", flüsterte ich fragend, sah ihn aber nicht an, sondern kuschelte mich einfach nur bei ihm ein. Meine Arme nahm ich von seinem Hals und hielt sie an meinen Körper. Leicht fühlte ich mich wie ein Baby oder wie eine Braut und ich mochte das Gefühl. Also genoss ich es.

Ich musste lächeln. "Solang du noch lebst und kein Viral bist" Ich neigte den Kopf zur Seite und leicht nach vorn um ihn an ihrer Schulter anzulehnen. "Ruh dich aus, ja? Ich sag dir Bescheid, wenn wir da sind" Dann hob ich meinen Kopf wieder um kurz nach Tian zu sehen. Gut, er war noch da. Falls jetzt Virals kamen konnte ich erstmal niemanden verteidigen. Immerhin kam ich nicht an meine Waffen. Aber es war auch nicht mehr lang bis zur Kolonie. Ich lief gleichmäßig weiter.

"Hmhm.", gab ich zustimmend von mir und schloss meine Augen. Meine Finger spielten leicht mit dem Stoff deines Oberteils und ich horchte auf die Geräusche um uns herum. Dann öffnete ich meine Augen wieder und sah Alex von unten herab an. Ein sanftes Lächeln zierte unbewusst meine Lippen. Es war schon komisch, wie sehr ich ihm vertraute. Und wie oft er mir half. Hm, er war sowas wie mein Held. Leicht grinsend grub ich mein Gesicht in seiner Brust. Ich sollte mich ausruhen, nicht schwärmen!

Ich konnte ein zufriedenes Lächeln nicht verhindern. Solange Ava da war konnte mich nichts aufregen. Und es war ein beruhigendes Gefühl, sie zu tragen. Da konnte das Schicksal machen was es wollte. Seit der Nacht in der ich Ava gegen diese Viral naja, 'gerettet' hatte, hatte ich irgendwie das Gefühl, sie beschützen zu müssen. Ich kannte Mädchen, die extra auf verletzlich machten um Typen zu bekommen. Aber Ava war anders. Sie war wirklich so. Sie war ehrlich und machte einem nichts vor. Vielleicht vertraute ich ihr deshalb so und wollte sie beschützen. Ich seufzte innerlich. Ich sollte mir keine Gedanken darüber machen. Ich sollte sie sicher zur Kolonie bringen.

Ich hob meinen Blick wieder an, allerdings nicht um Alex anszusehen. Ein erleichtertes Seufzen entglitt mir, als ich die Mauer der Kolonie sah. "Warte.", stoppte ich Alex und bedeutete ihm an, mich abzusetzen. "Die Menschen werden Angst kriegen, wenn die... sehen, dass ich am Hals Blut kleben habe.", sagte ich. Ich musste es wegwischen. Kurz sah ich mich um. Schon komisch, dass wir mit meiner offenen Wunde keinen Viral angelockt hatten. Und heute hatte ich eindeutig was Neues gelernt. Virale haben auch ihren eigenen Willen. Sie töten nicht immer. Und deshalb war ich mir sicher, dass ich Xavier paar weitere Male besuchen werde. Selbst wenn Alex mir das verbieten würde, würde ich meinen besten Freund aufsuchen. Ganz Egal für wie gefährlich er oder die Anderen es hielten.

Ich setzte sie ab und sah zu, wie sie das Blut wegwischte. Dann kamen wir zum Schlupfloch. Ich blieb daneben stehen und wartete, bis die beiden durch waren. Dann kam ich hinterher und sah mich um. Wir mussten zu Avas Haus. Ich sah die beiden kurz an. Dann lief ich neben Ava her. Falls sie sich nochmal abstützen musste. Wir kamen zu ihrem Haus.

Ich öffnete die Tür und betrat mein Haus langsam, ehe ich in die Küche ging und mich an den kühlen Kühlschrank lehnte. Ich umarmte ihn schon fast, so gut tat es für meinen Körper. Ein leises seufzen entfuhr mir, als ich wieder zurück dachte und meine Hände streichten automatisch über meine kleine Wunde am Hals. Es fühlte sich zugegeben interessant an, über die zwei kleinen Löcher zu streichen. Erneut seufzte ich, öffnete den Kühlschrank und holte eine Flasche Orangensaft raus, denn ich fast bis zur Hälfte leer trank. Dann sah ich zu Alex und Tian. "Ihr könnt euch jetzt ausruhen, wenn ihr wollt." Ich wollte nämlich nicht, dass sie mich bis zum Ende bemutterten. Es war meine Schuld gewesen, diesen ich jetzt selber ausbaden musste. "Danke. Das ihr mir... geholfen habt." Kurz lächelte ich, sah dann die Beiden Jungs dann aber wieder trübe an. "Wenn es irgendwas gibt, was ich für euch tun kann... dann sagt mir Bescheid.", seufzte ich schon zum dritten Mal, bevor ich auf dem Weg zum Badezimmer war.

Ich sah Ava hinterher bis sie im Bad verschwand. Ich würde bleiben. Was mit Tian war, wusste ich nicht. Ich sah ihn fragend an und setzte mich dann auf einen Stuhl im Wohnzimmer. Im Moment wollte ich auf Ava aufpassen. Nachher war der Blutverlust doch sehr hoch. Erstaunlich, wie sie das wegsteckte. Ich wusste sowieso nicht, wohin ich sollte. "Wenn du willst kannst du etwas zu Essen eintauschen gehen", wandte ich mich an Tian und blickte auf die Münzen in seiner Hand.

Im Badezimmer sah ich mich kurz im Spiegel an und unterdrückte einen frustrierten Laut. Heilige Sch'eiße. Aufgebracht zog ich mich aus und stieg unter die Dusche. Es dauerte nicht lange, als ich auch schon wieder aus der Dusche trat und mich in einen Handtuch hüllte. Kurz setzte ich mich auf den Klodeckel und vergrub mein Gesicht in meinen Handflächen. Ich wusste nicht woran ich denken sollte, um nicht wieder an ihn denken zu müssen. Denn immer wenn ich an ihn dachte, verspürte ich diesen sch'eiß Schmerz von Einsamkeit. Und dabei war ich gar nicht einsam. Die Frage war wohl nur, für wie lange?! Resegniert stand ich auf und sah auf meine Klamotten. Verdammt, hätte ich bloß an frische Kleidung gedacht. Den Handtuch eng um meinen Körper geschlungen, öffnete ich die Tür und ging seelenruhig in mein Zimmer. Sollten die Beiden doch denken was sie wollen. Als ich dann frisch angezogen war, was in einer kurzen Hose und einem Pulli endete, kam ich wieder ins Wohnzimmer und nahm vorsichtig Alex Handgelenk. "Das sollten wir wohl besser neu verbinden.", sagte ich mit einem schwachen Lächeln.

Als Ava nur mit einem Handtuch bekleidet aus dem Bad kam sah ich schnell wieder zu Tian. Ich war definitiv niemand, der Frauen spannerte. Irgendwann kam sie zurück und nahm mein Handgelenk. Bei ihren Worten mustere ich es. "Stimmt. Die Bisswunde ist beim Kampf mit der Viral aufgegangen", erinnerte ich mich und nickte. Dann sah ich sie aber fragend an. "Eigentlich hast du schon viel zu viel für mich getan" Bis jetzt hatte mir niemand einen Verband angelegt oder Essen geschenkt.

Ich holte ein Tuch, Desinfiktionsmittel und Verbandszeug. "Stimmt nicht.", laechelte ich und sah auf in sein Gesicht. Sanft legte ich meine Hand an seine Wange und streichelte diese sanft mit meinem Daumen. "Du hast keine Ahnung, wie viel du schon fuer mich getan hast.", sagte ich und laechelte erneut, ehe ich meine Hand wegnahm und sein Handgelenk sanft saeuberte und dann sorgfaeltig verband. Dabei dachte ich nach, wie ich die Wunde an meinem Hals am Besten verdeckte. Aber vielleicht fiel es gar nicht so sehr auf...

Ich sah sie einfach nur sanft aber fragend an. Sie hatte für meine Verhältnisse schon viel zu viel für mich getan. "Wieso stimmt das nicht? Ich meine, ich hab dir weder etwas verbunden noch Essen geschenkt..." Ich sah auf den Verband. Dabei kam mir eine Idee wegen ihrer Bisswunde. "Hast du ein Oberteil mit hohem Kragen?" Ich sah sie wieder fragend an. Mann, im Moment war ich wohl echt ahnungslos wenn ich die ganze Zeit fragend schauen musste...

"Alex, ich habe genug an Essen und dem Ganzen. Wirklich. Ich bin vorbereitet.", murmelte ich. Ja, ich war vorbereitet auf alles gewesen, nur fuer meinen Bruder. Und vielleicht auch Xavier. Und im Endeffekt hatte ich Beide verloren. "Und ich teile gerne mit Menschen die mir wichtig sind. Also hoer auf dich zu beschweren und genieße einfach.", sagte ich laechelnd und strich sanft ueber denn fertigen Verband. "Es gibt nichts schlimmeres als Rollkragenoberteile.", lachte ich leicht. "Die stehen mir nicht." Okay, eigentlich interessierte es mich weniger, was mir stand und was nicht. Meine Zeit als schoenes Maedchen war vorbei. Obwohl das wohl auch beantwortete, warum ich keinen Freund hatte. Oder warum ich all meine Freunde verlor. Ich schmunzelte leicht und nahm das Verbandszeugs in die Hand, dass ich in meinen Haenden aus Langeweile drehte und wandt.

Ich grinste. Stur war sie. "Ist ja okay, aber ich überanspruche das nicht, versprochen" Ich besah mir den frischen Verband, der völlig weiß war. Noch zumindest. Ich wusste nicht was als nächstes kam. Als sie das mit dem Teilen sagte sah ich sie an. Ich hatte keinen genauen Ausdruck in den Augen. Ich war ihr wichtig. Wieso auch nicht? Aber trotzdem tat es zum einen gut, dass aus ihrem Mund zu hören, zum anderen war ich dann doch wieder erschrocken dass ich meine Gefühle zugelassen hatte. Doch diesmal würde ich dem Schicksal zeigen, dass es auch anders ging. Ich stand auf und berührte sie vorsichtig am Arm. Ich wusste nicht ob Tian noch da war oder nicht. "Schals? Halstücher?" Ich musterte die Bisswunde. Allzu auffällig war sie nicht, aber immer noch sichtbar.